Schweizer Stromfirmen wandern ab!

 

Seit 2010 haben Schweizer Stromkonzerne und Fonds mehr als 10 Milliarden Franken in «grüne» Kraftwerke in den Nachbarländern investiert. In der Schweiz kommt der Ausbau neuer Kraftwerke nicht voran, weil die Rahmenbedingungen schlechter sind als in der EU:

  • Europäische Länder gewähren neuen Kraftwerken eine Preisgarantie, finanziert aus dem Netzzuschlag. Die Höhe der garantierten Erlöse ist kostendeckend und wird mittels Ausschreibungen ermittelt.
  • In der Schweiz erhalten neue Kraftwerke keine Preisgarantien mehr. Das BFE hat 2019 alle Anmeldungen für Einspeisevergütungen gestoppt. Das Energiegesetz kennt keine Auktionen.
  • Das Preisrisiko für Investitionen liegt in der Schweiz höher als in der EU. Es geht um das Risiko, dass die Preise an der Strombörse immer häufiger gegen null sinken, je mehr Solar- und Windenergie ans Netz gehen.
  • Das Fehlen einer Marktprämie über 10 bis 15 Jahre verteuert die Finanzierungskosten für neue Kraftwerke in der Schweiz und erhöht die inländischen Strompreise im Vergleich zum benachbarten Ausland. Kapitalgeber verlangen höhere Risikoprämien – höhere Zinsen –, darum die Abwanderung der Investitionen nach Europa.
  • Nur Anlagen mit Eigenverbrauch lassen sich mit Investitionsbeiträgen befriedigend finanzieren. Es handelt sich im Wesentlichen um das beschränkte Potenzial der kleinen und mittleren Dachanlagen. Kostengünstige Grossanlagen bleiben aussen vor. Grosse Flächen entlang von Infrastrukturbauten ohne Eigenverbrauch – zum Beispiel Lärmschutzwände, Staumauern oder Stützbauten an Bahn- und Strassenböschungen – können so nicht wirtschaftlich erschlossen werden.


… und weitere Benachteiligungen im Vergleich zur EU:

  • Die geplante Marktöffnung führt zum Wegfall der kostendeckenden Entschädigungen der gebundenen Kunden für Schweizer Wasserkraftwerke und andere erneuerbare Energien. Es geht um 10 TWh, ein Sechstel der Stromerzeugung, die ihren bisherigen Preisschutz verlieren werden!
  • Investitionen in neue Wasser-, Wind- und Solarstromanlagen müssen über Jahrzehnte abgeschrieben werden; der Terminmarkt an der Europäischen Strombörse (EPEX) liefert aber vertragliche Preissicherheiten höchstens auf drei bis sechs Jahre.
  • Die Preisvolatilität an den europäischen Strombörsen erhöht sich mit dem steigenden Marktanteil von Sonnen- und Windenergie. Die Vollkosten neuer Kraftwerke können ohne ein neues Strommarktdesign nicht gedeckt werden. Die Schweiz braucht endlich gleich lange Spiesse wie in der EU, sonst wird die hohe Versorgungssicherheit aus inländischer Produktion nicht aufrechterhalten werden können.
  • Im EU-Strombinnenmarkt, in dem unsere Kraftwerke im Wettbewerb stehen, liefern Kreditinstitute wie die Europäische Investitionsbank (EIB) oder die Deutsche Bank für Wiederaufbau (KfW) Kreditgarantien. In der Schweiz fehlt ein solcher Zugang zu langfristigen Krediten mit Staatsgarantie.
  • Um die Stromversorgung ganzjährig sicherzustellen, decken die Übertragungsnetzbetreiber in der EU die Kosten der Netzanbindung von Offshore-Windkraft-Anlagen und werden dafür aus dem Netzzuschlag entschädigt. In der Schweiz fehlt auch dieses Instrument, das die Wettbewerbsposition für einheimischen Winterstrom aus alpinen Höhenlagen entscheidend verbessern könnte.

Beteiligungen in der EU liefern 20 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs (Grafik EZS)1

Stefan Batzli, Co-Geschäftsführer AEE SUISSE

 

1 Energie Zukunft Schweiz: Investments in renewable energy production outside Switzerland by Swiss energy providers and institutional investors (Dez. 2019)

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